Black Pirate Poetry – Leinwandlyrik mit Ralph Turnheim

Zollhaus/VG Aar-Einrich, 9. Oktober 2020.

Knurren, Säbelklirren und dramatisches Seufzen in historischer Vollendung

Sollten Stummfilme eine Stimme bekommen? Wenn es die von Ralph Turnheim ist, dann auf jeden Fall! Der Schauspieler erweckte den ersten farbigen Piratenfilm der Welt auf unvergleichlich witzige Weise zu ganz neuem Leben. Mit seiner „Leinwand-Lyrik“ begeisterte der Schauspieler nun das Publikum im Kinosaal des Kreml-Kulturhauses in Zollhaus.

Das Publikum war handverlesen, denn die Veranstaltung fand witterungsbedingt nicht open air statt –  und im Kinosaal dürfen momentan nur wenige Zuschauer Platz nehmen. Die jedoch hatten eine Mordsgaudi bei ihrer recht exklusiven Vorstellung. Ralph Turnheim, ausgebildeter Schauspieler und virtuoser Sprechkünstler, begeisterte sie mit seiner „Black Pirate Poetry“, einer Veranstaltung des Kulturprogramms Dialog Aar-Einrich die in Kooperation mit dem Kreml Kulturhaus stattfand. Turnheim stellte zunächst die Produktionsumstände des Films „black pirate“ und die damals einzigartige Technik der Colorierung mit all ihren Tücken und Finessen vor – professionell, leicht verständlich und sehr informativ.

Dann ging es ans Eingemachte – Licht aus, Stummfilm an, plus Stimme aus der Dunkelheit. Der „wohl einzige professionelle Stummfilmerzähler im deutschen Sprachraum“, wie Turnheim selber sagt, gab den Rollen durch seine unvergleichliche Simultansynchronisierung feinst geschliffene Charaktere. Live, lyrisch und mit charmantem wienerischen Unterton hatte er die Zuschauer und -hörer schnell in seinen Bann gezogen. Da war der französische, hinterlistige Pierre, der stolze Fürst, das verhuschte Prinzesschen und viele mehr. Jede Rolle bekam eine eigene Stimme, eigenen Dialekt und Stimmfarbe. Turnheim hatte kaum Zeit, Luft zu holen, denn auch Hintergrundgeräusche, das Knurren der Piratenmeute, das Paffen des knorrigen Alten und selbst die Töne des erbitterten Säbelkampfes erschuf er allein mit seinen Stimmbändern.

90 Minuten sprach, seufzte und rasselte Turnheim durch den Film und hatte – dann endlich nach einem kräftigen Schluck aus der Wasserflasche – noch viel Freude am Publikum: Das verwöhnte ihn nicht nur mit sehr lang anhaltendem Applaus und Jubel, sondern stellte viele Fragen rund um die besondere Kunst des Stummfilmerzählens.

Einen Tag braucht er für eine Minute Text, verriet er. Das Erzählen, die Stimmvielfalt und Atemtechnik habe er durch seine Schauspielausbildung verinnerlicht. Die Zuschauer waren begeistert. „Schade, dass man sich die vielen tollen Reime nicht merken konnte“, meinte einer von ihnen. Eine philosophische Weisheit aus einem besonders dramatischen Moment habe er sich jedoch mitgenommen: „Dein Leben ganz beschissen läuft – wenn Dein Retter grad ersäuft!“

Gefördert wurde die zweistündige Veranstaltung im Rahmen des Kulturprogramms Dialog Aar-Einrich durch die LEADER AG Lahn-Taunus, von der Europäischen Union (ELER-Mittel) und dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz.

Douglas Fairbanks brilliert als eben jener im ersten Piratenfilm Hollywoods. Das Epos auf hoher See ist so aufwendig und dynamisch in Szene gesetzt, wie nur Fairbanks es konnte. Alle Piraten-Mythen, die seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen anstacheln, finden sich in diesem gigantischen Werk. 1926 waren Farbfilme unerforschtes Terrain, doch Fairbanks wagte das Abenteuer und produzierte den ersten in Farbe gedrehten Kinofilm Hollywoods. Das Publikum stürmte begeistert die Kinos. Anekdote am Rande: Einem Kinobesitzer waren die hohen Einnahmen regelrecht unangenehm – deswegen zahlte er Fairbanks zu den üblichen Tantiemen freiwillig eine zusätzliche Beteiligung aus.

Weitere Infos zu Ralph Turnheim gibt es unter: www.leinwand-lyrik.de